Feuilleton Thüringer Allgemeine (27.April 2002, einen Tag nach dem Amoklauf)

 

Kunst gegen den Hass

Solidarität ist ein Anfang von Trost

 

Sie hat sich in ihren Performances immer wieder selbst und dabei stellvertretend für das, was Menschen anderen Menschen antun, öffentlich Leid, Schmerz und Verletzungen ausgesetzt und dafür verbal wie körperlich erfahrbare Wut mancher auf sich gezogen: die Kölnerin Siglinde Kallnbach.

Mit ihrer Kunst gegen Hass und Gewalt nahm sie 1992 an der internationalen Erfurter Performerinnenwoche teil und beteiligte sich 2001 an den „100 Selbstportraits“ im Kunsthaus.

„Für das, was da in Erfurt geschehen ist, gibt es spontan keinen Trost, nur Trauer. Doch, es passierte eben mitten unter uns, an einem Ort, wo es jeden Menschen erwischen könnte. Jene, die da starben, das könnten unser aller Eltern, Kinder oder Freunde sein. Für mich und viele, viele Menschen kann es jetzt nur Solidarität geben – mit den Angehörigen der toten Lehrer, Schüler und Polizisten; wir sollten ganz eng zusammen stehen. Denn: Solidarität das Denken aneinander, wäre immer hin ein Anfang von Trost.“

Nicht von ungefähr verweist die rund um den Globus tätige Aktionskünstlerin auf jene, die sich zu irgendwelchen Märtyrern erheben und solche, die ihre Perversionen aus Videospielen holen und auch um den Preis des eigenen Lebens nach Aufsehen gieren.

Kürzlich hat sie ihr Projekt „Wishingtrack“ (Wunschspur) beendet – eine Gegenposition.

„Darin konnte jeder seine persönlichen Wünsche für das Leben in diesem Jahrtausend benennen. Im Ergebnis reagierten immerhin rund 4000 Menschen und gelangten so in diese weltweite Wunschspur. Ganz oben stand Frieden und immer wieder Frieden unter allen Menschen.“ Ein grenzenloses, internationales und globales Kunstwerk, das nun in Museen oder Kulturinstitutionen gezeigt werden kann - und sollte.

Siglinde Kallnbach: Ich bin tief betroffen von den Ereignissen und wünsche den Erfurtern, dass sich diese schwarze Wolke irgendwann wieder verziehen wird.