Kölnische Rundschau KULTUR, 29.Jan. 2000
Siglinde Kallnbach ist den Kölnern noch durch ihre Aktion „Wunschspur“ zur Jahrtausendwende im Fernwärmetunnel der GEW präsent. Shozo Shimamoto war der erste, der seinen Wunsch für das neue Jahrtausend an Kallnbach in Paris abgab. Diesen beiden Künstlern, verschieden in ihrer kulturellen Herkunft, ihrer Generationszugehörigkeit, ihren künstlerischen Ausdrucksmitteln, widmet nun das Japanische Kulturinstitut eine eigene Ausstellung, mit der die Tradition des Hauses, Werke eines deutschen und eines japanischen Künstlers zu zeigen, fortgesetzt wird.
Shimamoto
(Jahrgang 1928), Gründungsmitglied der Gutai-Gruppe, zelebrierte bereits in den
50-er und 60-er Jahren spektakuläre Aktionen und Happenings. Sein Werk zeigt
Parallelen zum Abstrakten Expressionismus und dem Informel in den USA und
Europa. In seiner Aktionsmalerei schleudert der Künstler zerbrochene Farbflaschen
gegen Leinwand und fügt collageartig Glasscherben ein. Die ausgestellten
Bilder, die durchaus dem Action Painting eines Jackson Pollock verwandt sind,
unterscheiden sich jedoch durch eine gezieltere kompositionelle Farbführung,
die bestimmte Bereiche des Bildes stärker gewichtet.
Kallnbach
(Jahrgang 1556) ist mit Fotografien aus dem Fernwärmetunnel sowie von ihren
vergangenen Performances vertreten. Sie zeigt Durchblicke in den aus
Metallgittern bestehenden Treppenhausturm des Tunnels oder Planen, Steine und
Schnüre als Materialien einer Aktion in Japan. Relikte, die jedoch in ihrer
ästhetischen Präsentation und künstlerischen Bearbeitung eigenständig bestehen.
Ihr Werk hat sie dem Aspekt „Das Eigene im Fremden erspüren“ verschrieben.
Seit
1984 haben die beiden Künstler mehrfach zusammen Projekte realisiert, so durfte
dann auch bei der Eröffnung eine gemeinsame Performance nicht fehlen. Mit ihr
wurde noch einmal auf ruhige, medidative Weise das Zusammenfinden zweier
Menschen als Vertreter unterschiedlicher Kulturen und Generationen
thematisiert. I-Tüpfelchen für die anwesenden Kölner war jedoch der Präsident
der Karnevalsgesellschaft Alt-Köllen, der dem Japaner einen Sessionsorden
verlieh, auf das er damit in Japan Aufsehen erregen möge. Was ihm sicherlich
gelingen wird.
Japanisches Kulturinstitut Köln, Universitätsstr.
98, bis 24.März, Mo – Fr 9-13 Uhr und 14 – 17 Uhr, Sa und So 14 – 17 Uhr
Kölner Stadtanzeiger KULTUR, 4.2.2000
Bildunterschrift: Siglinde Kallnbach und Shozo
Shimamoto bei ihrer Performance im Japanischen Kulturinstitut (Bild: jk)
Die
Kunst hat trotz vielfacher individueller und kultureller Besonderheiten längst
eine internationale Sprache gefunden. Der Japaner Shozo Shimamoto (Jahrgang
1928) und die Deutsche Siglinde Kallnbach (Jahrgang 1956) demonstrieren das
derzeit gleich an zwei Orten in Köln: im Japanischen Kulturinstitut und in der
Galerie Thomas Zander. Seit 1984, als Kallnbach bei ihrem ersten
Japanaufenthalt den international renomierten Shozo Shimamoto kennen lernte,
haben sie in mehreren Ausstellungsprojekten zusammengearbeitet.
„Aktion“
und „Material“ bilden das Spannungsfeld ihrer gemeinsamen Erfahrung. Shimamoto,
Mitbegründer der 1954 ins Leben gerufenen Gutai-Künstler-Gruppe, schleuderte in
seiner Aktionsmalerei Farbflaschen auf die Leinwand oder beschoß Bildgründe mit
einer Farbkanone und schuf so eine japanische Variante zwischen dem abstrakten
Expressionissmus und dem künstlerischen Informel. Die Farben sind stets satt
und heftig aufgetragen, Glasscherben und Holzstücke gelegentlich nach Art einer
Assemblage
dazwischen
eingefügt. Die Explosivkraft von Wirklichkeit steht auch im Blickpunkt der im
Japanischen Kulturinstitut gezeigten Arbeiten. Sie entstanden größtenteils
anlässlich einer Performance auf der Mathildenhöhe in Darmstadt.
Dort
hatten Shimamoto und Kallnbach sich, wie bereits mehrfach zuvor, zu einer
gemeinsamen Performance zusammengefunden und die Verständigung eines stummen
körperlich-materiellen Dialogs zelebriert. Für Kallnbach bildet der eigene Leib
seit jeher das Zentrum ihrer künstlerischen Erfahrung. In zähen Verwicklungen
mit Feuer, Farbe, Plastikplanen oder Bruchsteinen führt sie vor, dass wir uns
selbst nur finden in der beharrlichen Auseinandersetzung mit den Materialien
des Lebens. Daß Zerstörung dabei einen produktiven Anteil hat, machen ihre
mehrfach belichteten Fotografien deutlich, die sie den wütend-feingliedrigen
Farbverpflechtungen Shimamotos zu Seite stellt.
Für beide Künstler ergeben die Aktion und das Bild ein nahtloser Prozeß. Die Aktion wird zu einem körperbetonten (Mal)Vorgang, aus dem eine Reihe von (fertigen) Bildern hervorgehen, die somit mehr sind als nur Relikte oder Dokumente einer Performance. Im besten Fall ist in ihnen die ganze Wucht und Konzentration bewegter Materialität enthalten, wie in einem großformatigen Werk Shimamotos , das in der Galerie Thomas Zander zu sehen ist. In der krustigen, gelb geprägten Farblandschaft sind äußere und innere Wirkungsprozesse nicht (mehr) voneinander zu trennen.
Dieses
eine Bild genügt tatsächlich, um (die) Wirklichkeit als ein undurchdringliches,
gleichermaßen gewaltiges wie zartes Gebilde zu erkennen, das bei aller
Lebendigkeit ebenso sichtbar den Verfall in sich trägt. Als Ergänzug hat
Siglinde Kallnbach eine Serie von Fotografien beigesteuert, die sich mit den
versehrten Oberflächen unserer Umgebungen beschäftigen: verwitterte Mauern,
verwaschene Plakate und zersprungene Fensterscheiben, deren Risse wie das
Gewebe von Spinnennetzen aussehen. Erfahrungen wie diese spielen in allen
Kulturkreisen und Generationen eine Rolle. Ob sie überhaupt das Gleiche
bedeuten, kann der Anfang einer interkulturellen Diskussion sein.
Daß
Shozo Shimamoto sich vom Kölner Kunstpublikum seinen geschorenen Kopf mit
Filzstiften bemalen ließ, sollte man dagegen mehr als einen
kulturübergreifenden Gag denn als
künstlerischen Beitrag begreifen.
Japanisches
Kulturinstitut,
Universitätsstr. 98, Mo-Fr 9-13, 14-17 Uhr bis 24.März
Galerie
Thomas Zander,
Brühler Platz 1, Di-Fr. 14-18Uhr, Sa 11-14 Uhr